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Gerald Nestler: HEDGE AVANTGARDE, Ausstellungsansicht, Foto: Wolfgang Thaler |
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HEDGE AVANTGARDE, Ausstellungsansicht Wand oben: RENEGADES TRAITORS EDUCATORS. Wandbeschriftung, 50 x 900 cm, 2015. Foto: Wolfgang Thaler
HEDGE AVANTGARDE, Ausstellungsansicht, Foto: Wolfgang Thaler
WE TAKE YOU EVERYWHERE, BUT GET YOU NOWHERE Wandtafel, Kreide, mathematische Formulierungen, 2015. Mit Paul Wilmott, Andrea Gunnlaugsdottir, Nizan Kalina, Evandro Pedroni. Finanzmathematische Derivationen volatiler und riskanter Bewegungsabläufe in einem von Menschen bevölkerten Raum. Foto: Wolfgang Thaler
LA POVERA NELLA SUA CASA. Futurismo Nuovo (contracts for the 1% and the 99% respectively). Gestell: Iglu-Gehäuse, originaler Contingent Claim-Derivatvertrag, Stellenbewerbung; Transparentfolien, Klebestreifen, Gfk-Stäbe, Alurohre, Seil, Corian, Kopien, Sockel, 2015. Foto: Wolfgang Thaler
HEDGE AVANTGARDE, Ausstellungsansicht, Foto: Wolfgang Thaler
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Gerald Nestler
HEDGE AVANTGARDE Renegades, Traitors, Educators Inquiries into an Aesthetics of Resolution |
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Eröffnung: Di. 5. Mai 2015, 19-22 Uhr 19:30 Uhr, Eröffnung und Performance-Lecture: we take you everywhere, but get you nowhere Paul Wilmott (Mathematiker, Quant-Legende) mit Andrea Gunnlaugsdottir, Nizan Kalina, Evandro Pedroni Fotos der Performance-Lecture >
Ausstellungsdauer: 6. Mai - 13. Juni 2015 Öffnungszeiten: Mittwoch - Freitag 16-19 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung: +43 6991 5248 623
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Für die Ausstellung HEDGE AVANTGARDE löst Gerald Nestler den sequenziellen Ablauf filmischer Dokumentation auf und verteilt die materiellen Artefakte – Video, Fotografie, Grafik, Performance, Stimme und Text – im realen Raum.
Im Mittelpunkt dieses experimentellen Settings steht eine Programmatik, die Nestler als "aesthetics of resolution" bezeichnet. Sie geht der Frage nach, wie die Bedingungen unsere Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit im Zeitalter der Black Boxen verändert bzw. aufgelöst werden und welche Strategien sich gegen diese "soziale Erblindung" einsetzten lassen. Nestler entwickelt in diesem Zusammenhang die Figur des renegade, deren technologische, ökonomische, politische und kulturelle Voraussetzungen er untersucht.
Der renegade – dessen aktuell meistdiskutierte Erscheinung der Whistleblower ist – steht hier für gelebte Formen der Auflehnung, die sich gegen die Diskrepanz zwischen allgemein verfügbarem Wissen und dessen Verknappung wenden, wie sie etwa in der Bündelung technologischer Verfahren mit Eigentumsrechten, Selbstregulierung und Geheimhaltung durchgesetzt werden. Im Kontext der "aesthetics of resolution" markiert der renegade – systemintern nichts als ein Verräter – die Figur des Übergangs vom neoliberalen Paradigma der Kritik zu konkreten Formen des Aufstands, die sich zunehmend aus dem Inneren der Systeme herauskristallisieren – auch wenn ihr oft marginalisierter "Verrat" die Undurchdringlichkeit diverser Black Boxen nur für Momente desavouiert.
Das semantische Feld des Ausdrucks "resolution" wiederum umschreibt eine Fülle von Bedeutungen, deren potentielle Kohärenz von technologischer Auflösung, Analyse von Sachverhalten und Wissensakkumulation zu Entscheidungsprozessen und (gemeinschaftlicher) Entschließung reicht. Die "aesthetics of resolution" kann somit als Methode oder Toolbox beschrieben werden, mit der künstlerische, technische und soziale Kompetenzen in den Blick rücken, die gegen Intransparenz, Verschleierung und konstruierte Unsichtbarkeit in Stellung gebracht werden können. Sie setzt an den Entscheidungsspielräumen einzelner Personen und ihrem gesellschaftlichen Kontext an, um Strategien der Unterminierung von Machtbeziehungen, Informationsasymmetrien und anderer Absprachen zu entwickeln.
Die Materialien, die Nestler für diese erste Skizze einer "aesthetics of resolution" versammelt, stammen zum Großteil aus den Finanzmärkten und stellen unter anderem existierende wie potentielle Verkörperungen renegade vor. So trifft Haim Bodek, Whistleblower und Experte für automatisierte Finanzmärkte, auf Randy Martin, der als Theoretiker und Tänzer die Logik der Derivate für neue Formen gemeinschaftlich geteilter Risiken okkupierte. Die Black Box der Finanzalgorithmen wird durch ein zu Schulungszwecken offengelegtes Video einer Handelsstrategie konterkariert, die $ 600.000 Gewinn abwarf. Ein skulpturaler Eingriff wiederum setzt dieser Spekulation die Dichotomie juristischer Verträge entgegen – dem kapitalistischen "Bindemittel" zwischen Eigentum, Produktion und Arbeit. Sie greift ein konkretes Ereignis während der Occupy-Proteste in Chicago 2011 auf und spiegelt den von Nestler als "derivative Verfassung" bezeichneten Zustand unserer Gesellschaft wider.
Zur Eröffnung am 5. Mai, 19 Uhr, zeigte der Finanzmathematiker Paul Wilmott mit we take you everywhere, but get you nowhere eine mathematisch-derivative Performance. Wilmott ist einer der bekanntesten Exponenten der quantitative finance und gilt als ihr herausragendster Querdenker. Er wurde u.a. als "financial mathematical guru" (BBC) und "the finance industry's Mozart" (Sunday Business) bezeichnet.
Pressetext DOWNLOAD > |
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