Sylvia Eckermann

Ausstellungsansicht, Detail. Foto: Wolfgang Thaler

Sylvia Eckermann Digital Monsters Don't Bleed
 

 

Ausstellungsdauer: 18. September bis 6. November 2014

 

Eröffnung: 17. September 2014

Einführende Worte: Thomas Mießgang

 

Buchpräsentation / Finissage: Donnerstag, 6. November 2014, 19 Uhr

es sprach: Ernst Strouhal, Universität für angewandte Kunst

 

 
Sylvia Eckermann

 

 

Sylvia Eckermann

 

 

Sylvia Eckermann

 

Ausstellungsansichten und Details.

Fotos: Wolfgang Thaler

 

 

Thomas Mießgang

Zur Ausstellung

 

Unter einem Algorithmus versteht man eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems oder einer Klasse von Problemen, die sich aus vielen, präzise definierten Einzelschritten zusammensetzt und zur Ausführung beispielsweise in einem Computerprogramm implementiert werden kann. Algorithmen sind die bevorzugten Steuerungsmodule zeitgenössischer Lebenswirklichkeiten; effektive und gleichzeitig geheimnisvolle Quelltexte, an deren Erstellung die Elite der Informationstechnologie mitwirkt und deren Formel wie im Falle des legendären Google-Algorithmus so sorgfältig geheim gehalten wird wie das Rezept von Coca Cola. "Wir haben die Technologie der Zukunft gefunden," schrieb vor kurzem die Süddeutsche Zeitung. "Der richtige Algorithmus macht reich wie ein Goldnugget und ist mächtig wie ein Atombombe." Der Autor Andrian Kreye bezeichnet Algorithmen als "fundamentalistische Grundsatztexte", die "eherne Regeln" schaffen würden, auf die der Normalnutzer kaum Einfluss habe. Jenseits solcher dystopischer Orwell'scher Visionen, die von vielen Beobachtern der neuen digitalen Pluriversen geteilt wird, spricht die neuere Medientheorie aber auch von einer spezifischen "Ästhetik der algorithmischen Kultur." Luciana Parisini schreibt vom "weichen Denken" (soft thought), welches dem Code eigentümlich sei und eine Ästhetik des Digitalen erzeuge, die auf eine Neufassung des Algorithmischen per se hinauslaufe. Diese "neue digitale Matrix" konfiguriert sich um einen Begriff des Algorithmus, der offen ist für radikale Kontingenz und Neuheit und paradoxerweise das Unberechenbare zum Teil seiner macht.

 

In dieser komplexen Gemengelage gesellschaftlicher Umschichtungsparadigmen und einer damit verbundenen Emergenz von innovativen Denk- und Handlungsformen siedelt Sylvia Eckermann ihr Projekt Digital Monsters Don't Bleed an. Es ist keine Visualisierung des Nichtdarstellbaren, sondern eher eine metaphorisch/metaphysische Improvisation, die vom Algorithmus als wesentlichem Gestaltungselement eines neuen kybernetischen Machtregimes in der cyberkapitalistischen Kultur ausgeht und dann unter Engführung von Statik und Laufbild einen Tanz der assoziativen kognitiven Partikel veranstaltet.

 

Im Zentrum dieser materiellen Konkretion des Abstrakten steht eine überwiegend aus rechten Winkeln geformte Konstruktion, deren einzelne Streben mit unterschiedlichen Farben ‚codifiziert' wurden. An manchen Stellen, an denen das Gestänge im Leeren zu verlaufen scheint, wachsen ‚Goldmenschen' – besser gesagt: anthropomorphe Entitäten, die aus einem mit Polymer bespannten Drahtgeflecht bestehen – aus den Hohlröhren. Diese wiederum erinnern in ihrem Erscheinungsbild an die ‚mud people' aus dem Film Fando & Lis, mit dem der postsurrealistische Regisseur Alejandro Jodorowsky im Jahr 1968 debütierte und der wie eine Low Budget-Bricolage aus L'Age d'or, einer Materialaktion von Otto Mühl und einem Touch Easy Rider wirkt. Sylvia Eckermann hat eine kurze Sequenz aus dem Film herausgelöst, neu geschnitten, verlangsamt, eingefärbt und durch Filter sehr stark verfremdet. Das Todespochen der Tonspur wird zum Puls, der die Installation zeitlich gliedert und rhythmisiert.

 

Die Suche nach einem El Dorado, die in Jodorowskys Film handlungsmotivierend ist, mag im Zusammenhang mit dem ‚Goldrausch'-Gefühl, das in den Hochleistungssektoren der algorithmischen Gegenwart bestimmend ist, im symbolischen Umraum der Arbeit eine Rolle gespielt haben. Es geht ihr nicht um eine ludditische Absage an Technologie und wissenschaftlichem Fortschritt, aber um eine kritische Investigation jenes algorithmischen Ausbeutungszusammenhanges, der unser Leben bestimmt, obwohl wir kaum etwas davon wahrnehmen – das NSA-Syndrom! – und der die cyberkapitalistische Verfassung der Gegenwart formt. Und genau dies, so der Medientheoretiker Erich Hörl, sei "der prekäre Ort für die Bestimmung unserer algorithmusbasierten, in einem noch zu klärenden Sinne neuen (medien)ästhetischen Kultur."

 

Thomas Mießgang

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