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Gerald Nestler Unter dem Primat der Spekulationsalgorithmen

 

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Roland Maurmair, Ausstellung zeigt Sinnlichkeit und Naturtrieb

 

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Sylvia Eckermann: "Die digitale Freiheit wurde sofort ökonomisiert"

 

European Cultural News, Michaela Preiner

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Nicht nur die Aktie an der Wand

 

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Sylvia Eckermann Im Takt der Stille

 

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Gerald Nestler Der Markt als schöpferischer Topos

 

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Ricarda Denzer

 

artmagazine, Nina Schedlmayer

Sofia Goscinski head in the closet

 

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fair, Brigitte Felderer

Unfaßbare Bilder - Zur Installation „naked eye“ von Sylvia Eckermann

 

artmagazine, Walter Seidl

Sylvia Eckermann Naked Eye

 

DER STANDARD, Christa Benzer

Sylvia Eckermann Naked Eye

 

DER STANDARD, Anne Katrin Feßler

Per Autostopp zum Prado nach Madrid

 

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Ein Handwerker mit Kunstvogel

 

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Schöner Wohnen Österreich 10/98
Aus Liebe zur Kunst

 

 

 

fair Nr. 12 / I-2011, erschienen am: 11. 05. 2011, Seite 30-31


Unfaßbare Bilder

 

Zur Installation „naked eye“ von Sylvia Eckermann

 

In ihrer Installation, die zuletzt im Kunstraum BERNSTEINER zu sehen war, thematisiert
Sylvia Eckermann die Präsentationsform des „white cube“, unterläuft dabei Grenzen
zwischen bewegten und laufenden Bildern, zwischen flacher Wand und scheinbarer Tiefe,
zwischen dem sichtbaren und dem gehörten Raum. Das Publikum taucht in einen
Vorstellungsraum ein, der in jedem Moment der Betrachtung seinen Inhalt verändert, jede
Narration auflöst und die Medialität gewohnter Kunstpräsentation sinnlich reflektiert.

 

Von Brigitte Felderer

 

Man betritt das Stiegenhaus des großen Mietshauses, um es durch eine Hintertür, die in den Innenhof führt, auch gleich wieder zu verlassen. Im Hof befindet sich die ehemalige Werkstatt, die mit ihren wandhohen Fenstern viel Tageslicht in den tiefen Innenraum läßt. Schon vor einigen Jahren wurde die Produktionsstätte zu einer Galerie umgebaut: hell, weit, weiß. Als Sylvia Eckermann eingeladen wurde, in dem Kunstraum auszustellen, änderte sich nicht vieles, sondern im Grunde alles.
In der Installation der Künstlerin steht eine lange Wand, wo zuvor Raum war, tragen die zuvor weißen Oberflächen die gleiche dunkelgrüne Farbe wie der eigens verlegte Teppichboden. Der Blick hinaus – durch die großen Fenster – wird von Spiegelfolien ins Innere zurückgeworfen. Bei hellem Sonnenlicht werden die Spiegel zwar transparent, behalten jedoch ihre silbrige Farbe und verleihen so der Wirklichkeit draußen die Patina eines alten Films, lassen sie wie eine Projektion erscheinen. Die Aussicht auf den Wiener Innenhof scheint den Galerieraum zu erweitern, fortzusetzen. Eine Trennung zwischen nüchternem Alltag und einem davor geschützten, gleichsam der Kunst geweihten Bereich wird so aufgehoben. Die Veränderung des Tageslichts ist im Galerieraum immer mitzuerleben, bleibt nicht ausgesperrt und doch scheint selbst diese natürliche und unabänderliche Lichtveränderung einem vorgebenen Konzept der Künstlerin zu folgen.
Der Raum ist in seinen urprünglichen Ausmaßen nicht mehr erkennbar. Wie eine Kulisse wurde die Wand eingezogen, die in ihrer Färbigkeit die Gestaltung von Ausstellungsräumen zitiert, wie wir sie aus den Kunstmuseen des 19. Jahrhunderts kennen. Auch in Sylvia Eckermanns Installation hängen an einer solchen Wand Bilder. Doch ordnet sich die Hängung hier weder an malerischen Schulen oder Bildinhalten, noch geht es um Symmetrien oder Sammlungsstrategien. Die ausgestellten Bilder verkörpern keine materiellen Wertanlagen, sie lassen sich nicht abnehmen, nicht wegtragen und bleiben dabei dennoch in Bewegung. An der Wand hängen zwar Keilrahmen, die aber keine Leinwände, wohl aber speziell lackierte Oberflächen tragen, die wiederum bewegte Bilder zeigen. Die Quelle dieser Bilder läßt sich nicht auf Anhieb lokalisieren. Trifft die Projektion von hinten auf transparente Flächen auf? Oder stellen sich an die Wand gehängte Leinwände einem Lichtstrahl entgegen?

Drei Videoprojektoren werfen die sich ständig verändernden Images auf insgesamt zehn Bildflächen. Die Trägerflächen sind zwar nicht gerahmt, doch im Unterschied zur dunklen Wand erhaben. Diese subtil erzeugte Tiefenwirkung bewirkt, daß sich die Bilder von der Wand und voneinander absetzen und die flächigen Projektionen einen virtuellen Bildraum und zugleich den Effekt realer Raumtiefe erzeugen. Die Bilder scheinen die dunkle Wand gleichsam zu perforieren, Tiefe im realen Raum zu erzeugen.

Um das nackte Sehvermögen geht es der Künstlerin dabei nicht. Der Titel für ihre Arbeit, „naked eye“, ist daher auch weniger Versprechen als vielmehr ein ironischer Hinweis auf das, was nicht gezeigt wird, aber dennoch zu sehen ist. So hat sie auf den Fensterscheiben, die in der Installation die Differenz von Außen- und Innenraum im wahrsten Sinn des Wortes reflektieren, einen Satz von Alfred Adler angebracht, in dem der Begründer der Individualpsychologie die Vielschichtigkeit kommunikativer Prozesse beschreibt. In wenigen Worten postuliert er die analytische Distanz, die nur dann entstehen kann, wenn die Widersprüchlichkeiten einer Selbstdarstellung nicht unbemerkt bleiben, wenn neue Kontexte und Verweissysteme ins Spiel kommen, so scheinbar zufällige Äußerungen nicht unbemerkt bleiben und sich als bedeutungsvolle Gesten lesen und erkennen lassen:
„Wenn Ihnen das, was der Patient sagt, widersprüchig und verwirrend vorkommt, dann schließen Sie die Ohren und öffnen Sie weit die Augen. Schauen Sie ihm genau beim Reden zu, und Sie werden auf einmal ganz genau verstehen, was er Ihnen nicht sagt.“
Die Installation bezieht sich auf den sichtbaren Kontext des Ausstellungsraums, aber vor allem thematisiert sie gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die uns ästhetische Objekte eben nie mit nacktem Auge anschauen lassen. Wie eine Patientin steht auch die Kunst unter Beobachtung und ihr Publikum ist bereit und wird in die Lage versetzt, sich auf Reflexion einzulassen.
Sylvia Eckermann liefert dabei die Betrachterinnen und Besucher in und mit ihrer Installation an Widersprüchlichkeiten aus, die zu einer höchst produktiven Verwirrung führen. Nähert man sich den vermeintlichen Tafelbildern, stellt man schnell aber doch nicht augenblicklich fest, daß sie Projektionen, daß sie Filmisches wiedergeben. So zeigen die Inhalte beispielsweise Hautoberflächen, in die mit Fingernägeln gekratzt und eigentlich gezeichnet wird. Sie präsentieren Landschaften oder versetzen abstrakte Figuren in Bewegung, deren feine Linien durch Drehung, durch gleichzeitige Schattierung und Überlagerung dreidimensionale Effekte entstehen lassen. Ein Triptychon gibt immer neue Ausschnitte auf eine endlose Körperlandschaft frei. Die Bilder überschreiten dabei ihre Grenzen, ihre Inhalte bleiben nicht einer einzigen Fläche verhaftet, sondern bewegen sich weiter, über den Rand hinaus, eröffnen so den Blick auf eine zweite Wirklichkeit, die sich unter oder hinter ihnen zu verbergen scheint. Die Künstlerin greift in ihrer medialen Installation auf illusionistische Techniken eines gerahmten und perspektivisch aufgebauten Tafelbilds zurück. Doch sind ihre Bildinhalte flächig angelegt, respektieren keine Rahmungen, bewegen sich über den Rand ins nächste Bild weiter. In diesem Widerspruch gelingt es ihr, eine geradezu vertraute Bildmagie herzustellen und darüberhinaus zu verräumlichen, nicht jedoch indem der Blick des Betrachters seine Position in einem illusionierten Bildraum einnimmt. Vielmehr fallen in der multimedialen Installation Bildraum und Galerieraum in eins.
Die raffinierte Präsentation der Bilder verändert die Wahrnehmung des gesamten Raums. Der Ausstellungsort wird durch Sound, Farbgebung und räumliche Eingriffe der bewußten Wahrnehmung entzogen. Man vermutet eine geheimnisvolle Tiefe im realen Raum, hinter der aufgestellten Bilderwand. Die dunklen Wände weichen hinter die hellen Bildflächen zurück. Dieser Eindruck wird durch eine Tonspur, komponiert von Peter Szely, wesentlich verstärkt. Der Sound gibt nicht einfach den Rhythmus der Bilder, deren Abfolge und filmische Bewegungen wieder. Der Sound bestimmt die Wahrnehmung, füllt die Installation auch dann aus, wenn sich der Blick abwendet. Er ist nie Soundtrack, sondern wird zu einem eigenständigen Element, zu einem Raumklang, dessen Resonanz dazu beiträgt, daß man den räumlichen Gegebenheiten nicht mehr so ohne weiteres trauen mag.
Die Künstlerin hat mit ihrer Installation zudem einen Kontext geschaffen, um die Ideologie kontextunabhängiger Kunst, wie sie der white cube nach wie vor als konventionelle Präsentationsform repräsentiert, vorzuführen. Reflektiert werden in dieser Arbeit die Bedingungen, unter denen ästhetische Objekte traditionell rezipiert werden.
Anstelle einer Raumkunst läßt sie in dieser Installation die Zeitkünste Film und Sound treten. Es geht ihr nicht um die kontemplative Betrachtung einzelner ästhetischer Objekte, sondern die Betrachter tauchen in ein „totales Bild“ (Oliver Grau) ein, in ein Panorama aus laufenden Bildern, aus Sound, der aus einem imaginierten Nichts kommt. Die bewegten Bilder irritieren die Wahrnehmung einer vermeintlichen Bilderwand. Man trifft nicht auf unveränderliche Situationen, folgt keiner zwingenden Narration. Es gibt keine gemeinschaftliche, sondern nur eine individuelle Erfahrung in diesem gebauten Vorstellungsraum.
Sylvia Eckermann erwischt ihr Publikum bei eingespielten und althergebrachten Rezeptionspraktiken, sie seziert traditionelle Präsentationsformen von Bildern, statischen und bewegten und unterläuft gewohnte Kunstbetrachtung. Sie verführt letztendlich ihr Publikum zu einer intensiven Betrachtung filmischer Materialien, die hier mit raffinierter Ironie präsentiert werden und dabei technologisch definierte ästhetische Erfahrungen einschließen.
Keine Tafelbilder, sondern unfaßbare, ja ortlose Objekte sind in dieser Arbeit zu sehen, Objekte, die sich nicht ohne weiteres zuordnen lassen und so von jedem und jeder einzelnen immer alle gebotene Aufmerksamkeit einzufordern wissen.

 

Brigitte Felderer
Kuratorin und Kulturwissenschaftlerin, lehrt an der Universität für angewandte Kunst Wien.

 

Artikel erschienen in:

fair • Zeitung für Kunst und Ästhetik – Wien / Berlin

http://www.fairarts.org/


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